Montagmorgen 7:30 Uhr. Ich sitze an meinem Schreibtisch in einem Industriegebiet. Im Rollladenkasten bauen wie jedes Jahr Vögel ihr Nest, genau wie in denen meiner Kollegen. Und auf dem begrünten Dach hört man immer wieder Gänse, die hier eine Pause machen.
Klingt nach einer kleinen ökologischen Oase mitten zwischen Gewerbeflächen? Nicht wirklich. Es gibt auf dem Gelände noch viel mehr Potential etwas für die Natur zu tun, genau wie bei benachbarten Firmen. Hinter dem Gebäude ist der Mitarbeiterplatz. Mittendrin eine 500qm große Fläche, auf der bei Einzug vor ein paar Jahren Rollrasen verlegt wurde. Weil es schön und einladend aussehen soll, eine Ruhezone für die Mitarbeiter zwischen den gepflasterten Stellplätzen und Asphaltwegen. Nachdem anfangs tausende Liter Wasser auf den Rasen gegossen wurden, kümmert sich heute niemand mehr um die Pflege.
Durch Nichtstun etwas geschaffen
Warum?
Warum? Diese Frage beantwortete der Chef mir und mehreren entrüsteten Kolleginnen und Kollegen mit den Worten: „Damit es wieder ordentlich aussieht“. So ordentlich wie auf den geschotterten Feldern in Teilen des Geländes, wo seit Jahren das durchdringende Gras die Oberhand gewinnt? Vielleicht so ordentlich wie die Randstreifen rund um die Parkplätze, die immer weiter zuwuchern? Oder so ordentlich wie die Beete vor dem Gebäude, wo das Unkraut der mit Schotter eingefassten Ziergräser jährlich in tagelanger Arbeit mühsam entfernt werden muss.
Alleine auf diesem Firmengelände gibt es viele Möglichkeiten, etwas für die Natur zu tun. Die sowieso schon natürlich entstandene Wiese einfach stehen lassen. Und wenn gemäht werden muss, kann der Fahrer beweisen, dass sein Aufsitzrasenmäher auch kurvengängig ist, wenn er Blühflächen stehen lässt.
Mehrwert und nicht nur Kosten für Unternehmen
Das Umweltzentrum Hannover hat auf seiner Seite Außenstelle Natur – Firmengelände naturnah gestalten zahlreiche Informationen zusammengestellt, was man auch auf kleinen Flächen von Unternehmen für die Natur tun kann. Es gibt dazu zahlreiche Beispiele von einfachen und kostengünstigen Möglichkeiten bis zu aufwendigen Umbaumaßnahmen und Installationen. Nicht nur über Kosten und Fördermöglichkeiten wird berichtet. Ein zentraler Punkt ist auch: welchen Mehrwert bringen die Maßnahmen für die Unternehmen.
„Öffentliche und gewerbliche Grünflächen naturnah“ ist ein gut strukturiertes Praxishandbuch für Kommunen und Unternehmen.
Zurück ins Industriegebiet
Auch dieses Jahr versuche ich wieder den Chef vom ökologischen Nutzen von Blühflächen auf dem Firmengelände zu überzeugen. Als Biodiv Hero braucht man oft einen langen Atem.